
06. Juli 2011, 14:07 Uhr | Original-URL
Atomausstieg
Hamburg/Berlin – Zuerst war es Bundespräsident Christian Wulff, der die von Angela Merkels Regierung forcierte Energiewende kritisierte, jetzt legt Kurt Biedenkopf nach. Es sei ein politisches Abenteuer, „ohne Beteiligung der Partei einen neuen, angeblich alternativlosen und unumkehrbaren Weg einzuschlagen“, sagte der CDU-Politiker der „Zeit“. Merkels Energiewende sei „unbegreiflich“.
Biedenkopf unterstützte die Kritik von Wulff an der Energiewende: „Ich stimme mit dem Bundespräsidenten überein, dass es klug gewesen wäre, die Partei an diesem tiefgreifenden Kurswechsel zu beteiligen und sich für den neuen Weg deren Mandat zu sichern. Das gilt auch für die CSU. In Bayern werden 57 Prozent des Stroms durch Kernkraft erzeugt. Wie man nach dem Atomausstieg dieses Defizit aus eigener Kraft ausgleichen kann, muss intensiv diskutiert werden“, sagte Biedenkopf.
Er könne die Folgerungen der Kanzlerin aus der Atomkatastrophe von Fukushima nicht nachvollziehen, sagte der frühere Generalsekretär der CDU. „Als Saulus zum Paulus wurde, galt das nicht für alle Ungläubigen, sondern nur für ihn. Dass die Kanzlerin ihre neu gewonnene Sicht zur Grundlage der Energiewende für alle erklärt, ist das Überraschende. Bis heute begründet sie ihren Kurswechsel nicht mit neuen für Deutschland relevanten Tatsachen.“
Biedenkopf bezweifelt, dass die Energiewende wie geplant innerhalb von zehn Jahren umsetzbar sei: „Spätestens nach der Wahl wird man den Ausstiegszeitplan korrigieren.“ Es werde „entweder höhere Preise oder höhere Steuern oder höhere Schulden geben – oder alles zusammen“.
„Das klingt alles recht anmaßend“
Scharfe Kritik übte Biedenkopf auch am Auftreten der Kanzlerin gegenüber dem Ausland: „Die Kanzlerin vertritt den Standpunkt, Deutschland gehe hier voran und führe die Welt in ein neues Energiezeitalter. Das klingt alles recht anmaßend und wenig freundlich gegenüber unseren Nachbarn.“
Biedenkopf forderte den Bundesrat auf, das Gesetz der Regierung in seiner Sitzung an diesem Freitag abzulehnen: „Wenn der Ausstieg und der Umstieg in erneuerbare Energien zeitlich auseinanderlaufen, kann das ganze Projekt gefährdet sein. Nötig ist ein Szenario für den Fall, dass sich beispielsweise in zwei Jahren zeigt, dass die entstehende Lücke in der Energieversorgung nicht so schnell wie erhofft geschlossen werden kann oder der CO2-Ausstoß zu sehr steigt. Im Vermittlungsausschuss ließe sich das noch regeln.“
als/dpa
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